Ein Kombibad für Memmingen? So bitte nicht!

Vor zwei Jahren sind wir zurück nach Memmingen gekommen. Das Freibad und das Hallenbad sind in die Jahre gekommen und haben beide einen gewissen morbiden DDR-Charme. Aber das am jetzigen Freibadgelände geplante Kombibad halte ich persönlich für eine absolute Fehlentscheidung. Das Gelände ist weder für ein akzeptables Bad, das unterschiedliche Ansprüche erfüllt, noch unter Verkehrsgesichtspunkten für dieses Vorhaben geeignet. Hier meine Argument im Einzelnen:

Das Gelände soll 3 Funktionen auf einmal erfüllen a) ein attraktives Freibad für viele Zielgruppen – insbesondere auch Familien mit kleinen Kindern oder sportlich ambitionierte Frühschwimmer, b) ein akkustisch optimiertes Indoor-Sportbad für Schul- und Vereinssport und c) ein integriertes Indoor Freizeit- und Spaßbad für Jung und Alt idealer Weise mit einem Saunaressort für Entspannungs- und Erholungssuchende.

Freibad

Das aktuelle Gelände ist ideal für eine umfangreiche Sanierung und die Errichtung eines Top-Freibades, das die Ansprüche an Sportler und Schwimmer (mit Frühschwimmerangebot) durch ein großzügiges Schwimmbecken mit mindestens 6 x 50 m Bahnen erfüllen kann. Zusätzlich könnte ein erneuertes Nichtschwimmer-Becken (auch für  Bewegungstherapie und Gymnastik) bestehen bleiben und zusätzlich ein großzügiges beheiztes Baby- und Kleinkinderbecken die Ansprüche der Zielgruppen erfüllen. Auf dem weitläufigen Gelände könnten zudem noch attraktive Rasensportstätten wie ein oder zwei Beachvolleyballplätze, Rasenspiele, wie eine Bocciabahn, eine Grillzone und ein Biergarten (in dem auch mal eine Feier stattfinden kann im Sommer) sowie ein Spielplatz samt einer großen Liegewiese unter schattenspendenden großen Bäumen realisiert werden. Das ist es, was Memmingen braucht, zumal in der näheren Umgebung kein entsprechendes städtisches Erholungsgelände mit einem See vorhanden ist.

Hallenbad

Denkt man sich zusätzlich ein sportorientiertes Schwimmbad insbesondere für das Winterhalbjahr in der Halle mit sinnvollerweise mind. 5 x 50m-Schwimmbahnen, einem zusätzlichem warmen Plansch-Spiel-Bereich für die Kleinsten, einem Sprungturm sowie einem Warmbad mit Stehtiefe für Bewegung, Gymnastik und für Schwimmanfänger (gerne noch mit einer Normalrutsche und einem Wirlpool zum Aufwärmen) oder gar ein attraktives Gegenstrombecken vor, dann wird vor dem geistigen Auge der Platz beim Freibad schon längst überstrapaziert. Denkt man sich dann noch ein zusätzliches Angebot im „Funbereich“ mit Indoor-Röhrenrutsche – und das zählt dann auch zu Angeboten für die Jugend! – dann beißt’s sich aus ; das ist nämlich definitiv nicht realisierbar. An eine gewisse Weitläufigkeit oder optische Strukturierung des Hallenbades, z.B. mit Dampfkabinen, einer Salzgrotte, Jacuzzis oder einen Saunabereich ist dann noch längst nicht gedacht.

Was aber sollen wir in einer Stadt, die zunehmend unter Zuzugsdruck steht und wächst, die für Jugendliche und Familien attraktiv sein will – und werden muss -, mit einem schalen Kompromiss, der weder sportlicher Orientierung, also dem Schul- und Vereinssport, noch heutigen Freizeit- und Erholungsansprüchen genügt? Die Schwimmer kommen nicht mehr auf ihre Kosten, wenn es im Innenbereich nur 25 m-Kurzbahnen gibt. Da kommt man nämlich, wie man es in Kempten live erleben kann, gleich gar nicht richtig zum Schwimmen an Schlechtwettertagen, bei dem Gewimmel. Die Freizeit- und Erholungsorientierten werden in einem solchen Kombibad auf engstem Raum bestenfalls genügend Kreischen und Lärm abbekommen. Denn das ist ein weiteres Thema: Die Akkustik auf engem Raum. Schon im Cambomare kann man im Indoor-Badebereich keinerlei Erholung finden. Es gibt keine Rückzugsorte, weil der Platz für eine akkustische Strukturierung fehlt. Ein Restaurant- oder Kioskbetrieb – heute nicht mehr wegzudenken – braucht zusätzlich Platz.

Kinder und Jugendliche sollen beim jetzigen Kompromiss bereits auf eine Röhrenrutsche verzichten. Dabei sind Rutschen gerade für ältere Kinder und Jugendliche ein Ort zum Auspowern und für den Spaß.

Also dann meine Frage: Ja ist das überhaupt noch was Sinnvolles? Wollen wir einen teuren, aber schlechten Kompromiss mit einem Kombibad, das letztlich die Nutzer nur enttäuschen kann? Was, wenn trotz umfangreichen finanziellen Mitteleinsatzes keine Akzeptanz, keine Auslastung und somit nur Kosten und Unzufriedenheit resultieren? Dann haben wir ein kaputtsaniertes Freibad und ein verhunztes Hallenbad.

Unter ökologischen Gesichtspunkten gibt es aber noch weit größere, weit bedenklichere Problem: die Verkehrsanbindung und der ruhende Verkehr. Das Freibadgelände liegt im Einzugsbereich des Benninger Rieds und der Memminger Ach und es liegt am Rande eines Wohngebiets. Auf der anderen Seite gibt es ein nicht gerade hübsch anzusehendes Industrie- bzw. Gewerbegebiet. Stellen wir uns nun vor, was der Bau dieses Kombibads an ganzjährigem Verkehr mit sich bringt, sofern es überhaupt die notwendige Akzeptanz erfährt. Hier den ÖPNV als Lösung zu beschwören ist realitätsfern. Welche Mama und welcher Papa würde mit seinen Kindern, den vollbepackten Taschen mit Spielsachen und Schwimmkrokodilen und Bademänteln in eine Bus klettern und zum Bad fahren und hinterher mit den müden Mäusen und all dem Krempel wieder zurück mit dem Bus? Wer nimmt – wenn der Parkplatz etwas weiter entfernt ist -, einen längeren Fußweg auf sich? Hier ein Umdenken im Verhalten zu beschwören ist ebenfalls realitätsfern.  Und wo bitteschön soll eine wirklich geeignete Zufahrt zum Bad realisiert werden ohne die Wohngebiete und somit die Anwohner über Gebühr zu strapazieren oder auch dem Bach zu schaden? Wo ginge ein großes Parkdeck hin? Eignet sich der Untergrund etwa für ein Tiefparkhaus? Oder soll ein Parkhaus auf die Schwimmhalle gesetzt werden? Was ist mit dem vielbeschworenen Flächenverbrauch, wenn ein ebenerdiger Parkplatz erstellt wird?

Viele Bürger*innen beklagen auch, dass dieses Bad für die Schulen zu weit entfernt liegt. Das Hallenbad beim Strigl-Gymnasium ist für die Schulen und die Schwimmerinnen im Westen geradezu ideal.

Das Freibad modernisieren

Wäre es nicht sinnvoller, das Freibad mal komplett neu zu denken, es zu modernisieren und zu einer attraktiven Location zu machen (auch eine Sichtschutzmauer zu dem überaus hässlichen Gewerbegebiet wäre eine gute Maßnahme) und es – wie es in anderen Städten üblich ist – auch morgens ab spätestens 6:30 Uhr für das Publikum zu öffnen und dann auch im Sommer zumindest an den Wochenende auch mal bis 21:30 Uhr geöffnet zu haben? Es gibt übrigens automatische Einlasslösungen, die ideal für Früh- und Spätschwimmer geeignet sind. Die Bäder in Memmingen sollten im übrigen auch jetzt schon vor allem an den Wochenenden und Feiertagen von früh bis spät geöffnet sein, dann also, wenn die Menschen Zeit haben.

Für das Freiband könnte man ein attraktives Sommer-Programm aufzustellen mit Beach-Volleyball-Events, Turnieren, Konzerten und Sommerfesten. Beach- und Grillparties für Jugendliche (in einem kontrollierten Umfeld) oder Spielenachmittage für Kinder könnten ein Gewinn für Memmingen sein. Wie wäre es, dort im Freibad einen attraktiven überdachten Bereich zu schaffen, damit man auch an Regentagen im Sommer draußen schön schwimmen und anschließend gemütlich die Chill-Area und die Gastronomie nutzen kann?

Das bestehende Hallenbad erweitern?

Wäre es nicht denkbar, das jetzige Hallenbad am aktuellen Standort zu erweitern, einen Ressortbereich mit Sauna aufzustocken, einen schönem Sichtschutz zum Berndl-Platz und den zuführenden bzw. umgebenden Straßen zu errichten? Oder, noch besser, ein völlig neues Hallenbad – oder ein großzügiges Kombibadkonzept an anderer Stelle zu denken, z.B. bei „IKEA-Gelände“ oder im Bereich der Sportstätten im Westen und dieses mit Bürgerbeteiligung zu planen und umzusetzen? Es gibt keine Flächen? Hier könnten bspw. durchaus jetzt bestehende größere Freiflächen-Parkplätze für eine Bebauung umgewidmet und stattdessen neuer platzsparender Parkraum durch Tiefgaragen und Parkhochhäuser entstehen. Zumindest sollte man schon mal ein wenig die Phantasie walten lassen – oder die Denkrichtung wechseln und Mut zu Neuem haben! Auch hier wäre eine Bürger-Ideenwerkstatt sinnvoll. Wurde von den Stadträten schon mal auf andere Städte mit ähnlicher Größe geschielt? Wer kennt aus eigener Erfahrung andere Bäder im Allgäu und deren Umgebung? Hat schon mal jemand das Verkehrschaos in einem Wohngebiet mit angrenzendem Hallenbad live erlebt?

Sich selbst ein Bild machen und nicht nur auf einen Gutachter vertrauen

Schauen wir mal beispielhaft auf Bäder außerhalb unserer Region, auf Städte wie Gladenbach (Nautilust) oder Marburg (AquaMar), und schauen wir auf unsere Nachbarstadt Kempten (Cambomare). Hier der Vergleich der Angebote mit Parkplätzen und Zufahrtsmöglichkeiten zum jetzigen Freibad Memmingen. Gladenbach hat nach einem Brand im bestehenden Bad ein tolles neues Hallenbad mit angegliedertem Physio-Center mit Fitness, Kursen, Saunenwelt etc. erhalten. Im Bad gibt es großzügige  5 x 50 Meter Indoor-Schwimmbahnen, einen auch optisch separierten Kinderplanschbereich mit Ruhebereich und Liegen, einen davon völlig abgetrennten Nichtschwimmerbereich mit Jacuzzi, Massagedüsen und Rutsche und einen Extrazugang zu einem Außenschwimmbecken mit Gegenstromanlage, und dann eben eine tolle Röhrenrutsche. Aber: das vormals vorhandene Freibad ist quasi nicht mehr vorhanden. Das Nautilust wurde so zum Schlechtwetter- und Winterbad degradiert. Und es fehlt vor dem Gebäude eins: ein ausreichend großer Parkplatz. Mit der Konsequenz, dass die armen Anwohner in der das Bad umgebenden Wohngegend von Autos geflutet werden – es ist an den Wochenenden ein endloser Suchverkehr und dann sind schnell mal private Stellplätze zugestelllt. Das absolute Chaos konzentriert sich vor allem auf die Schlechtwettertage und Wochenenden.

Das AquaMar in Marburg ist dagegen wirklich super. Es vereint ein rießiges Freibad mit einem großzügigen Hallen- und Freizeitbad. Es ist von der Innenstadt zu Fuß zu erreichen, es hat eine Parkplatzfläche für ca. 100 Autos und es gibt zusätzlich einen extra Badebus als Linie und immerhin geht die Fahrt zum Bad nicht durch ein Wohngebiet. Aber selbst dieser Parkplatz ist schon für dieses schöne Bad zu klein.

Verlängerte Öffnungszeit: Bis um 19.30 Uhr können Gäste ab Montag im Marburger Freibad baden gehen. Foto: Stadt Marburg

Wo bitte könnten auf dem Freibadgelände Memmingen wirklich nah 100 Parkplätze untergebracht werden?

Und last but not least: Das Cambomare. Es liegt an einer breiten Straße zu den Sportstätten, die Verkehrsanbindung ist somit ideal. Der Parkplatz ist riesig und ohne weite Wege zum Bad – und trotzdem ist er oft voll. Das Kemptner Freibad ist großzügig und total attraktiv und daher im Sommer gut frequentiert. Es gibt Events, Sportanlagen, Spielplatz, eine gute Gastronomie und man kann das Freibad getrennt vom Hallenbad nutzen – ein großer Preisvorteil. Und kommt doch das Regenwetter unerwartet, kann man ins Hallenbad wechseln gegen Aufpreis. Sogar für die Frühschwimmer gibt es einen attraktiven günstigen Tarif – begrenzt auf das Sportbecken. Das Hallenbad ist aber – ganz ehrlich – etwas zu mickrig geraten, es ist vor allem total laut (also hat eine schlechte Akkustik) und es für die sportlichen Schwimmer definitiv zu klein. Es gibt nur 25-m-Bahnen, wo sich Schwimmanfänger und Schwimmer stets in die Quere kommen. Aber: Es gibt ein separates tolles Saunagelände und einen großzügigen Restaurantbereich – das macht die Mängel am Bad in gewissem Umfang wieder wett. Denn Erholungssuchende kommen auf ihre Kosten. Also, schaut Euch um und macht Euch selbst einen Eindruck, bevor ihr Millionen aufs falsche Pferd setzt!